
Ende der dynamischen Bezugnahme auf Tarifverträge bei Arbeitsortswechsel
Urteil des Bundesarbeitsgerichts: Ende der dynamischen Bezugnahme auf Tarifverträge bei Arbeitsortswechsel
Das Bundesarbeitsgesicht (BAG) hat am 11.12.2024 (Az. 4 AZR 44/24) eine wichtige Entscheidung zur Frage getroffen, wann die Dynamik einer arbeitsvertraglichen Bezugnahme auf Tarifverträge endet. Der Fall betrifft einen Arbeitnehmer, der von einem Standort in Baden-Württemberg an einen Standort in Rheinland-Pfalz versetzt wurde und anschließend eine geringere Vergütung erhielt.
Sachverhalt
Der Kläger war seit 1990 bei der Beklagten beschäftigt, deren Einstellungsnachricht folgende Regelung enthielt: “Für Ihr Arbeitsverhältnis gelten die gesetzlichen Vorschriften, die Tarifbestimmungen für Arbeiter der Metallindustrie in Nordwürttemberg und Nordbaden sowie die Betriebsordnung und die Betriebsvereinbarungen unseres Unternehmens.”
Die Arbeitgeberin ist Mitglied sowohl im Verband der Metall- und Elektroindustrie Baden-Württemberg als auch in der PfalzMetall. Der Kläger war zunächst am Standort in Baden-Württemberg tätig, bevor er im Oktober 2021 nach Rheinland-Pfalz versetzt wurde. Nach der Versetzung vergütete die Arbeitgeberin ihn nach den für Rheinland-Pfalz geltenden Tarifverträgen, was zu einer niedrigeren Vergütung führte.
Die Entscheidung
Das BAG hat festgestellt, dass die arbeitsvertragliche Bezugnahme auf Tarifverträge bei einer sogenannten Gleichstellungsabrede unter einer auflösenden Bedingung steht. Diese Bedingung tritt ein, wenn die Voraussetzungen für die Annahme einer solchen Abrede entfallen - und zwar nicht nur bei Ende der Tarifgebundenheit der Arbeitgeberin, sondern auch bei Versetzung des Arbeitnehmers an einen Arbeitsort außerhalb des Geltungsbereichs des in Bezug genommenen Tarifvertrags.
Das Gericht hat dabei verdeutlicht, dass eine Bezugnahmeregelung nur dann auf die jeweils für die Arbeitgeberin geltenden Tarifverträge gerichtet ist, wenn dies im Wortlaut der Vereinbarung klar erkennbar wird. Die bloße Tatsache, dass es sich um eine Gleichstellungsabrede handelt, reicht dafür nicht aus.
Konsequenz dieser Rechtsprechung ist, dass nach einem Arbeitsortswechsel die ursprünglich in Bezug genommenen Tarifverträge nur noch statisch - mit dem zum Zeitpunkt des Ortswechsels geltenden Inhalt - anwendbar sind. Eine dynamische Anpassung an spätere Änderungen der Tarifverträge erfolgt nicht mehr.
Wichtig ist auch die Klarstellung des BAG, dass die Ausübung des Direktionsrechts nach § 106 GewO nicht zu einer Änderung des Arbeitsvertrags führt. Damit wird eine Bezugnahmeklausel in einem solchen Fall nicht erneut zum Gegenstand der gemeinsamen Willensbildung der Vertragsparteien gemacht.
Praktische Bedeutung
Diese Entscheidung hat erhebliche Bedeutung für die Praxis der Arbeitsvergütung bei Versetzungen über Tarifgebietsgrenzen hinweg. Sie schafft Rechtssicherheit hinsichtlich der Frage, welche tariflichen Regelungen nach einem Arbeitsortswechsel gelten.
Für Arbeitnehmer kann dies bedeuten, dass sie zwar weiterhin Ansprüche aus den ursprünglich vereinbarten Tarifverträgen haben, diese jedoch “eingefroren” sind und nicht mehr an Tariferhöhungen teilnehmen. Für Arbeitgeber wiederum wird klargestellt, dass sie bei Versetzungen keine vollständige Vertragsänderung vornehmen müssen, wenn die Bezugnahme auf bestimmte Tarifverträge statisch fortgelten soll.
Im vorliegenden Fall konnte der Kläger dennoch die Durchführung der Alterssicherung nach dem Manteltarifvertrag für Nordwürttemberg/Nordbaden verlangen, da dieser aufgrund der statischen Fortgeltung weiterhin anwendbar war.
Dr. Leonard Gorbach
Rechtsanwälte und Fachanwalt für Arbeitsrecht